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Unterwegs mit Susanne Hochuli

«Dann halt ein Mäuerchen»

Susanne Hochuli, 53, war acht Jahre Regierungsrätin im Aargau. Jetzt ist sie oberste Patientenschützerin und lebt mit zwei Flüchtlingsfamilien auf dem eigenen Hof in Reitnau AG. In ihrer Kolumne in der «Schweizer Illustrierten» schreibt sie über den Gedanken, selber ein Haus zu bauen.

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Und was werden Sie danach tun?» Ja, was werde ich tun? Ich hatte keine Antwort auf die Frage, die mir, lang ists her, gestellt wurde, als ich öffentlich kundtat, dass meine Zeit als Regierungsrätin ein Ablaufdatum hat. Wie hätte ich es wissen können! Die regierungsrätlichen Tage waren ausgefüllt mit Sitzungen, Aktenlesen, Denken und eben Regieren – was auch immer man sich darunter vorstellen mag. 

Einem Journalisten antwortete ich, dass ich gerne etwas tun würde, was ich noch nie getan habe; ein Haus bauen zum Beispiel. Kaum war das Interview gedruckt, flatterten mir Briefe ins Haus: «Sehr geehrte Frau Hochuli, wir gratulieren Ihnen zum Entschluss, ein Haus zu bauen. Sehr gerne begleiten wir Sie bei der Umsetzung dieses Vorhabens. Wir bieten Ihnen Unterstützung bei ...» 

Ich hätte alles haben können: Fundament, Haustüren, vierfach verglaste Fenster, Isolationsmaterial, Solarpanels, Holz- oder Betonböden. Hätte ich alle Angebote angenommen, wäre in kürzester Zeit ein Haus dagestanden, ohne dass ich einen Finger hätte krumm machen müssen.

«Wenn ich ein Haus bauen würde, dann mit den eigenen Händen»

Genau dies war aber der Hintergedanke. Wenn ich ein Haus bauen würde, dann mit den eigenen Händen. Vier Ecken bestimmen – und drauflos mit dem Hausbau.

Aber machen Sie das mal in der Schweiz! Sie könnten ein Haus zuoberst auf einem hohen Berg bauen wollen. Würde die Gefahrenkarte Hochwasser aber eine mögliche Überschwemmung in hundert Jahren voraussagen, müssten Sie Schutzmassnahmen treffen, auch wenn laut gesundem Menschenverstand nicht mal die Sintflut Ihr Heim erreichen könnte.

Die Erdbebensicherheit muss gewährleistet sein, auch wenn Sie nur eine Strohhütte bauen. Die Energieeffizienz ist einzuhalten, auch wenn Sie ein unbeheiztes Zelt aufstellen. Natürlich, ich übertreibe. Bevor Sie aber Hand anlegen beim Hausbau, müssen Sie sich ordnerweise mit administrativem Kram herumschlagen. Sich darüber aufzuregen, lohnt sich nicht.

Sind gewisse Regelungen auch tatsächlich zu hinterfragen, helfen sie doch, dass die Schweiz nicht mit schäbigen Baracken zugepflastert wird. Mein ohne fremde Hilfe gebautes Haus wäre wohl eine solche geworden. 

«Die Lebensspanne wird mit jedem Tag kürzer»

Ein Haus selber bauen!  Überlege ich es mir genau, ist das selbst gebaute Haus nebensächlich. Es ist vielmehr Sinnbild all dieser Dinge, die ich nie getan habe und vermutlich auch nicht mehr tun werde. Die Lebensspanne wird mit jedem Tag kürzer. Sie fragt nicht danach, ob ich den Tag so gelebt habe, wie ich es möchte, oder mir Dinge aufzwingen liess, von denen ich denke, sie tun zu müssen. Sie schwinden dahin, meine Tage, und die Möglichkeiten in meinem Leben werden weniger. 

All das weiss ich, und doch finde ich es immer wieder schwierig, die Weichen richtig zu stellen. Ein Haus selber bauen, das werde ich nicht mehr tun. Ich bin bescheiden und begnüge mich mit einem selbst gebauten Mäuerchen; mit einem, aus dem Blumen und Kräuter aus den Ritzen wachsen werden, mit einem, in dem Eidechsen wohnen und sich auf den Steinen sonnen werden. Die Steine sind da – es kann losgehen. Nur sind die meisten Brocken so schwer, dass ich sie längst nicht mehr alleine stemmen kann.

Von Susanne Hochuli am 10. Juni 2019 - 13:14 Uhr